Geschichtlicher Abriss (Fortsetzung)
Fest steht, dass die Tuberkulose 1967 nur 0,6 % der Todesursachen insgesamt ausmachte. Gehen wir von 638 Todesfällen im Jahr 1902 aus, so erlagen damals 267 von 100 000 Einwohnern der Tuberkulose, 1967 waren es 6. Die Folgen der Tuberkulose waren also verheerend. Ganze Familien gingen daran zugrunde. Das Interesse der Behörden an diesem Zustand hielt sich in Grenzen, da er in ihren Augen unvermeidlich war. Alarmierende Berichte und Aufrufe des Medizinalcollegiums und der Kantons-Sanitätsinspektoren, die mit Nachdruck forderten, den Kampf gegen die Tuberkulose auf nationaler Ebene aufzunehmen, blieben zunächst ohne direkten Folgen, halfen aber, den einige Jahre später stattfindenden Sinneswandel vorzubereiten. Die Entdeckungen von Forlanini, Koch und Röntgen, die den Weg zur Prophylaxe und Früherkennung, vorzeitigen Isolierung, Sanatoriumskur und zu dem künstlichen Pneumothorax geebnet hatten, fanden in der Praxis jedoch kaum Anwendung.
Doch die Zeit war reif für grundlegende gesundheitspolitische Veränderungen in unserem Land. Anfang des Jahrhunderts leistete der Gesetzgeber im Bereich der öffentlichen Gesundheit beträchtliche Arbeit. Wir haben es hier wahrlich mit einer Entwicklung zu tun, wie wir sie selten in unserem Lande gesehen haben.
Die Kammer der Abgeordneten verabschiedete 1900 das Gesetz über die Errichtung eines bakteriologischen Laboratoriums, 1901 das Gesetz über die Einrichtung und die Befugnisse des Medizinalcollegiums und das Gesetz über die Ausübung der Heilkunde, 1902 das Gesetz betreffend die Einrichtung der Sanitätsinspektoren und die Ausübung ihrer Befugnisse, auf das kurz darauf der großherzogliche Beschluss über die Dienstanweisung für Sanitätsinspektoren erging, und schließlich 1906 das Gesetz zur Förderung der öffentlichen Gesundheit.
All diese gesetzlichen Bestimmungen wirkten sich positiv auf die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten aus. Das Gesetz von 1906 sieht sogar die Möglichkeit vor, in den Gemeinden eine Meldepflicht für Todesfälle durch Lungentuberkulose einzuführen.
Trotzdem waren die Probleme bei der Organisation einer wirksamen Bekämpfung der Tuberkulose nicht behoben. Es galt, die Bevölkerung über die Gefahren der Krankheit und die Präventivmaßnahmen zu informieren und aufzuklären. Es galt, die für die Früherkennung und Behandlung der Tuberkulose erforderliche Infrastruktur zu schaffen, die für die Behandlung der weniger wohlhabenden Kranken notwendigen Gelder zu beschaffen und den Familien der Tuberkulosekranken bei ihren wirtschaftlichen und sozialen Problemen zu helfen.
Die Behörden verfügten nicht über das für die Erfüllung dieser vielen Aufgaben notwendige Rüstzeug. Vielleicht teilten auch sie die weit verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber diesem nahezu als unausweichlich geltenden Übel? Vielleicht glaubten sie nicht fest genug an die neuen Diagnose-, Prophylaxe- und Behandlungsmöglichkeiten?